Sturmflut 1962 auf der Meierei

Beschreibung der Februarflut von Erich Falke

(…) Auch das Jahr 1962 stellte uns gleich zu Beginn vor eine schwere Prüfung. In der Nacht vom 16. auf den 17. Februar wurde die gesamte Nordseeküste von einer schweren Sturmflut heimgesucht. Sie richtete erhebliche Schäden an den Küsten- und Inselschutzwerken an und überflutete rund 56.000 ha Land. In Hamburg starben in dieser Nacht 324 Menschen in den Fluten. Diese Sturmflut, die als „Februarflut 1962“ inzwischen in die Annalen eingegangen ist, erreichte mit 3,67 m über MTHW den höchsten Wasserstand.

Der 16. Februar war ein Freitag. Ein schwarzer Freitag. Den ganzen Tag hatte ein schwerer Sturm getobt. Er kam aus West und nahm gegen Abend noch zu. Seit etwa 16 Uhr, hatten wir auflaufendes Wasser und um 22.15 Uhr war planmäßig Hochflut. Aber bereits um 20 Uhr lief uns das Wasser in die Ställe. Es war eine mondhelle Nacht und wir konnten die Flut kommen sehen. Welle für Welle rollte sie auf das Haus zu. Wir mussten das Vieh in die höhergelegenen Dünen treiben. Eine unglaublich schwierige Arbeit. Die verängstigten Tiere versuchten vor dem tosenden Weststurm nach Osten zu fliehen. Das wäre ihr sicheres Verderben gewesen. Meine Schwiegertochter bemühte sich, ihnen die rettende Richtung zu weisen. Mit einer angeleinten Kuh hatte sie sich gegen den starken Wind in Richtung Dünen durchgekämpft und wartete auf halbem Wege in der Hoffnung, dass ihr die anderen Tiere folgen würden. Vergeblich! So mussten denn mein Sohn und ich, bis zum Bauch im eiskalten Wasser stehend, die Pferde und Kühe unter Aufbietung aller Kräfte in Richtung Dünen treiben, bis sie meiner Schwiegertochter in die rettende Richtung folgten.

Das Nächste war dann die Bergung unserer Vorräte. Diese Aufgabe bewältigte meine Schwiegertochter allein. Währenddessen bemühten sich mein Sohn und ich um die Sicherung des Hauses. Wir rissen vor den Hausteingängen das Pflaster auf und schaufelten Sand meterhoch vor die Türen, um das Eindringen des Wassers zu verhindern. Ein fast sinnlos erscheinendes Bemühen. Jedesmal, wenn eine Welle anrollte, drückte sie uns gegen die Tür, so dass wir uns an der Klinke festklammern mussten, um nicht abgetrieben zu werden. Gleichzeitig spülte sie den aufgeworfenen Sand fort, so dass die Arbeit von neuem begann. Das dauerte bis gegen 23 Uhr. Dann hatten wir es geschafft: die Ebbe setzte ein, die Flut ging zurück, kein Tropfen Wasser war ins Haus eingedrungen. Die Gefahr war überstanden.

Die Bilanz dieser Schreckensnacht: Bis auf ein paar ertrunkene Hühner hatten wir alles Vieh, unsere Vorräte und das Inventar retten können. Trotzdem war der Schaden dieser Sturmflut beträchtlich. Er betrug annähernd 20.000 DM, amtlich taxiert von der Großen Schadenfeststellungskommission. Die Osterwiese, die völlig überflutet wurde, brauchte drei Wochen zum Abtrocknen und war anschließend durch das Seewasser so versalzen, dass die Vegetation stark beeinträchtigt war. Erst Ende Juni konnten wir unser Vieh austreiben.

Ergänzung aus Wikipedia:

Steigt das Wasser an der Nordseeküste um mehr als 1,50 Meter über den Mittleren Hochwasserstand (MHW), spricht man von einer Sturmflut, ab 2,50 Meter von einer schweren und ab 3,50 Meter von einer sehr schweren Sturmflut. http://de.wikipedia.org/wiki/Sturmflut